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Version vom 16. März 2004, 22:16 Uhr von 217.255.6.106 (Diskussion) (Leben und Werk von Peter Weiss)

Leben und Werk von Peter Weiss

8. Nov. 1916: Geburt in Nowawes bei Berlin, als ältester Sohn (zwei Stiefbrüder aus der 1. Ehe der Mutter, 3 weitere Geschwister) von Frieda Weiss geb. Hummel (Hausfrau, die z.T. Nebenrollen am Deutschen Theater in Berlin spielte) und Eugen „Jenö“ Weiss (jüdisch-ungarischer, zum Christentum konvertierter Textilkaufmann) 1918-29: Übersiedelung nach Bremen, nachdem Jenö Weiss aus dem Militärdienst entlassen wurde, dort Gründung eines erfolgreichen Textilhandels (à gehobener Lebensstandard: zeitweise Köchin, Haushaltshilfe und Kindermädchen im Haushalt); vier mal Umzug innerhalb Bremens; Besuch der Grundschule und des Gymnasiums (kein Hinweis auf besondere Begabung) 1929: Rückkehr nach Berlin; kulturelles Interesse geweckt („Da fing es an mit einigen Freunden, die ich damals hatte, die sehr interessiert waren an Kunst. [...] Wir gingen jeden Sonntag in die Museen, in das Kaiser-Friedrich-Museum – das waren meine frühen Eindrücke, die ich später in der Ästhetik in veränderter Form schildere, obwohl es genau so in meinem eigenen Leben war, die Malerei-Erlebnisse, die Musik-Erlebnisse, wir hörten uns die Bach-Passionen an im Berliner Dom, wir gingen in die Bibliotheken, wir lasen alles, was überhaupt zu lesen war, wir verschlangen ein Buch nach dem anderen. In diesen Jahren, zwischen 1931 und 1933, erwarb ich meine ganzen Literaturkenntnisse, den ganzen Hesse, den ganzen Thomas Mann, den ganzen Brecht, alles lasen wir damals als ganz junge Leute. Ich hatte schon angefangen Gedichte zu schreiben, die ich heute noch habe, diese Manuskripte, geprägt durch Eindrücke, Einflüsse von Wedekind, Hesse und eine Mischung aus beiden.“ (Peter Weiss)) auf Druck des Vaters Wechsel vom Gymnasium zur Handelsschule Jenö Weiss versucht sich zu assimilieren, bewirbt sich um die deutsche Staatsbürgerschaft, will angeblich sogar in die NSDAP und die SA eintreten 1932/33 Besuch der Zeichen- und Malschule von Eugen Spiro 1934: Unfalltod der Schwester Margit (löst künstlerischen Prozess aus à nächtliches Parallelleben als Maler und romantischer Dichter) 1935-36: Emigration mit der Familie in die Nähe von London, Besuch der Polytechnic School of Photography, Weiss malt unter anderem „Die Maschinen greifen die Menschen an“ und schreibt „Bekenntnis eines großen Malers“; Arbeitet aber auch gleichzeitig im Büro des Vaters; Erste Ausstellung in einer Londoner Garage 1936: Umzug ins nordböhmische Warnsdorf Januar 1937: Weiss stellt Kontakt zu Hermann Hesse her (seine Werke sind für ihn „Spiegel in denen eine sehnsüchtige Identifizierung gebannt ist“) à persönlicher Durchbruch 1937/38: Reise nach Montagnola im Tessin zu Hesse; Studium an der Kunstakademie in Prag, erhält für sein Gemälde „Das Gartenkonzert“ den Akademiepreis; Weiss malt „Das große Welttheater“ September 1938: weitere Reise ins Tessin Oktober 1938: Nach der Besetzung des Sudetenlands durch die deutsche Wehrmacht emigrieren die Eltern nach Schweden, Weiss geht zunächst in die Schweiz; Eltern bemühen sich noch die „Lebenslüge“ (Peter Weiss) aufrecht zu erhalten, sie seien aus wirtschaftlichen und nicht aus politischen Gründen immer wieder umgezogen 1939: Emigration nach Schweden, seinen Lebensunterhalt verdient er sich unter anderem als Textilmusterzeichner und an privaten Malschulen. („ein fürchterlicher Sturz zurück in alles Alte! In Schweden fing sofort das Problem wieder mit den Eltern an – wieder musste ich in der Fabrik des Vaters arbeiten [...], zwei Jahre lang“) 1940: Weiss malt „Jahrmarkt am Stadtrand“, „Zirkus“ und „Villa mia“ Ab 1940: Leben in Stockholm, wo er bis zu seinem Tode lebt 1941: erste schwedische Ausstellung 1942: Studium an der Stockholmer Kunstakademie; Weiss malt „Die Kartoffelesser“ 1943: Heirat mit Malerin und Bildhauerin Helga Henschen; Ausstellung in Alingsås 1944: Beteiligung an der Ausstellung „Konstnärer i landsflykt“ („Künstler im Exil“) à großer Erfolg für Weiss; zunehmende Integration in schwedische Künstlerszene; Geburt der Tochter Rebecca; Weiss malt „Die Schnecke“ und „Obduktion“ 1945: Beziehung mit der dänischen Künstlern Le Klint 8. Nov. 1946: Weiss erhält schwedische Staatsbürgerschaft 1947: Veröffentlichung von „Der Vogelfreie“ (sein erstes in deutscher Sprache geschriebenes, aber nicht in Deutschland veröffentlichtes Buch); Als Korrespondent der Stockholms-Tidningen schreibt Weiss sieben Reportagen; Weiss verfasst den Prosatext „De Besegrade“ („Die Besiegten“) und malt „Der Webstuhl I“ und „Zersplitterter Kopf“ 1949: Heirat mit Carlota Dethorey, aufgrund der Tatsache, dass diese mit Sohn Paul schwanger war; Weiss schreibt das Hörspiel „Rotundan“ (dt.: Der Turm) ab 1952: Weiss verdient Geld mit Lehraufträgen zu Filmtheorie- und Praxis und der Theorie des Bauhauses an der Stockholmer „Högskola“ und mit Illustrations- und Übersetzungsaufträgen, Malkursen und Auftragsfilmen 1952-1956: Weiss dreht die Experimentalfilme Studie I (Das Aufwachen), II (Halluzinationen), III (Vorstufe zu Studie IV/Die Befreiung), IV (Die Befreiung) und V (Wechselspiel) 1956: Veröffentlichung des Buchs „Avantgardefilm“ (Zsfg. seiner Thesen zur Filmästhetik, „filmgeschichtliche Pioniertat“) 1956-1960: Weiss dreht 6 Dokumentarfilme, von denen lediglich 2 auf eigene Initiative entstehen (kein Ausdruck persönlicher Problematik sondern Problematik der modernen Stadtgesellschaft als Thema; Fragestellung: Handelt es sich tatsächlich noch um Dokumentarfilme, oder sind sie künstlerisch zu sehr überformt?) 1959: Weiss dreht den Spielfilm „Hägringen/Fata Morgana“ (Verfilmung des Buchs „Der Vogelfreie“ à Weiss’ filmisches Hauptwerk); Weiss fertigt Collage zu „Der Schatten des Körpers des Kutschers“ an 1960: Veröffentlichung von der Erzählung „Der Schatten des Körpers des Kutschers“, welche bereits 1952 geschrieben wurde à Durchbruch in Deutschland 1961: „Abschied von den Eltern“ (autobiographische Erzählung) 1962: der autobiographische Roman „Fluchtpunkt“, welcher die Anfangszeit in Stockholm thematisiert wird veröffentlicht; Weiss fertigt Collage zu „Abschied von den Eltern“ an 1963: „Das Gespräch der drei Gehenden“ (Fragment); Schweizer Charles-Veillon-Literaturpreis für „Fluchtpunkt“ 1964: Uraufführung des Dramas „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“à weltweiter Erfolg; Heirat mit Gunilla Palmstierna; Teilnahme als Zuschauer an Auschwitz-Prozessen 13./14. Dezember 1964: Lokaltermin des Frankfurter Gerichts in Auschwitz (Weiss berichtet über seinen Besuch dort in dem Text „Meine Ortschaft“ 1965: Weiss, der Mitglied der schwedischen Kommunistischen Partei ist, erklärt auf einem Schriftsteller-Kongress in Weimar: "Zwischen den beiden Wahlmöglichkeiten, die mir heute bleiben, sehe ich nur in der sozialistischen Gesellschaftsordnung die Möglichkeit zur Beseitigung der bestehenden Missverhältnisse in der Welt"; Uraufführung des Oratoriums „Die Ermittlung“ (Tantiemen der westeuropäischen Aufführungen spendet Weiss ehemaligen Auschwitz-Häftlingen und Opfern des südafrikanischen Apartheid-Regimes à Verallgemeinerbarkeit der Vorgänge in Auschwitz); Verleihung des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg 1966: Auszeichnung mit dem Heinrich-Mann-Preis der Deutschen Akademie der Künste, Ost-Berlin 1967: Uraufführung des politischen Musicals „Der Gesang vom Lusitanischen Popanz“, welches die noch bestehende portugiesische Kolonialherrschaft angreift; Teilnahme an Bertrand Russels Tribunal gegen den Vietnam-Krieg in Stockholm, einer der sogenannten Richter ist Jean Paul Sartre 1968: Uraufführung des Dramas „Viet-Nam-Diskurs“ in Frankfurt/Main, danach in Rostock 1970: Uraufführung des Schauspiels "Trotzki im Exil" in Düsseldorf 1971: Uraufführung des Stückes "Hölderlin" in Stuttgart 1972: Geburt der Tochter Nadja 1973: Teilnahme am 2. Russell-Tribunal in Stockholm 1974: Reise in die Sowjetunion zum Schriftstellerkongress nach Moskau und nach Wolgograd 1975: „Die Ästhetik des Widerstandes“ (Roman-Trilogie, folgende Bände in den Jahren 1978 und 1981; Versuch, die historischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und die ästhetischen und politischen Erkenntnisse der Zeit von 1917 bis 1945 darzustellen) 1982: Uraufführung des Theaterstücks „Der neue Prozess“ in Stockholm, Weiss führt selbst Regie 10. Mai 1982: Tod in einer Stockholmer Klinik posthume Auszeichnung mit dem Georg-Büchner-Preis